Die Rennrad-Reise Pyrenäen-Klassiker von „quäldich.de“ fand vom 1. bis 9. September statt. Wir nahmen die „Legendären Anstiege der Tour de France“ in Angriff. Start und Ziel der insgesamt acht Etappen war Tarbes.
Die Reise ist rum, ich bin wieder zu hause. Die Pyrenäen-Klassiker: Legendäre Anstiege der Tour de France. Es war eine geführte Radreise in drei Leistungsgruppen, organisiert von quäldich.de. Ein Hotel im Industriegebiet Ibos des französischen Ortes Tarbes war Start- und Zeilort.
Dort konnten die Autos und nicht benötigtes Gepäck deponiert werden. Offizieller Start war das Abendessen am Samstag.
Erster Tag: Was war los mit mir?
Wir trafen uns gegen 8:45 am Bus zum Verladen des Gepäcks bevor es um neun auf die Strecke ging. Die Gruppen starteten in kurzen Abständen voneinander.
Am Abend zuvor hatte ich den Eindruck gewonnen, daß jeder Gruppe zwei fahren wollte. Genau wie ich. Deswegen entschied ich mich kurzfristig für Gruppe eins. Los ging es auf weitgehend flachen ersten siebzig Kilometern in Richtung Pyrenäen. In der Ferne waren die Berge gut zu sehen. Das Wetter war perfekt. Wir waren zügig unterwegs.
Der erste Anstieg
Verpflegungshalt war vor dem ersten Anstieges zum Port de Balès. Paßhöhe 1.755 Meter. Zu Beginn der Steigung fuhr ein „Kamerafahrzeug“ vor uns her. Der Veranstalter hatte ein Team mit einem Promotion-Video beauftragt. Ich fühlte mich bärenstark und stürmte nach vorne. Am liebsten wäre ich direkt in den Kofferraum gefahren. Das Auto fuhr mir zu langsam und ich wollte vorbei. Das ging eine ganze Weile so bis der Wagen davonfuhr und ich auf meine Pulswerte sah. Der Puls war schon über dem Anschlag. Was war denn das? Was hatte mich denn da geritten?
Das Leiden begann
Bereits ab der Hälfte des langen Anstieges kam die Quittung und das Leiden ging los. Warum hatte ich die vielen Körner sinnlos verschleudert? Der Anstieg war lang. Ich habe sehr gelitten. Die letzten zwei Kilometer vor dem Gipfel konnte man fast komplett einsehen. Mir wurde schlecht, als ich sah, was ich noch vor mir hatte.
Völlig am Ende kam auch ich irgendwann oben an und war überglücklich, daß es eine kleine Imbißbude gab. Zwei Gipfel-Orangina gaben mir etwas Energie zurück. Unser Guide wartete auf mich und nach einer Weile war ich soweit erholt, daß wir in Richtung Hotel in Bagnères-de-Luchon abfahren konnten. Der erste Tag war geschafft.
Zweiter Tag: Gruppe zwei ist doch besser
Den ersten Anstieg des zweiten Tages fuhr ich bewußt vorsichtig und in meinem Tempo. Nicht noch einmal ein Drama erleben. Es lagen schließlich noch sieben Tage vor uns. Es ging gut: Col du Portillon, 1.293 Meter. Am zweiten Anstieg das Gleiche. Ich fuhr mein Tempo und ich fuhr hinterher. Das kann ich überhaupt nicht leiden und ich bekam schlechte Laune. Als letzter der Gruppe erreichte ich den Bus zur Mittagspause. Etwa die Hälfte des Anstiegs war geschafft. Schon auf den ersten Metern nach der Pause wurde meine Laune noch schlechter. Ich beschloß, in Gruppe zwei zu wechseln. Auf der Paßhöhe des Port de la Bonaigua, dem mit 2.072 Metern höchsten Berg Kataloniens, wartete ich auf Gruppe 2.
Tolle Ausblicke Ich warte auf Gruppe 2
Gruppe 2 paßt besser
Die Gruppe paßte viel besser zu mir, was spätestens auf der Höhenstraße über Son und Jou bestätigt wurde. Das Fahren war lockerer und die Stimmung gelöster. Hier war ich richtig. Übernachtet wurde in Sort in Spanien.
Dritter Tag: Andorra
Am dritten Tag stand der höchste befahrbare Paß der Pyrenäen auf dem Programm: Port d’Envalira, 2.407 Meter hoch und in Andorra gelegen. Davor war der Port de Cantó mit 1.725 Metern Höhe zu überqueren. Und wir mußten entlang der stark befahrenen Hauptverkehrsstraße durch Andorra la Vella fahren ehe es im Anstieg endlich wieder ruhiger wurde. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Es war zwar viel Verkehr aber nur wenige LKWs.
Der Anstieg zum Port d’Envalira war sehr lang aber nicht so steil und ganz gut zu fahren. Zielort war nach dem kurzen Ausflug nach Spanien wieder in Frankreich, Ax-les-Thermes. Hier blieben wir für zwei Nächte.
Vierter Tag: Ruhetag oder der Schönste?
Da wir in Ax-les-Thermes zwei Nächte blieben, konnte man entweder einen Ruhetag einlegen und auf die als schönste Tour angepriesene Strecke verzichten oder eben nicht. Die Wahl fiel nicht schwer und der erste Anstieg begann direkt am Ortsschild von Ax. Es ging auf den Col de Chioula (1.431 Meter). Auf einer welligen Straße folgten ein paar weitere Pässe, die man gar nicht richtig wahrnahm. Wir waren in der Zwischenzeit anderes gewohnt. Und dann kam er, der Schönste: Port de Palhères mit einer Höhe von 2.001 Meter. Für mich war er der Schönste der Tour. Sowohl der Anstieg mit wundervollen Serpentinen als auch die Abfahrt auf einer winzigen Straße entlang eines Tales mit tollen Aussichten auf wunderschöne und unfaßbar ruhige Natur.
Fünfter Tag: Doppelspitze
Es war schon Donnerstag! Wir verließen Ax-les-Thermes und es ging praktisch wieder vom Ortsschild weg bergan. Aber diese Steigung war nur kurz. Es war eine schöne, kleine Panoramastraße zum Pas de Souloumbrie bevor wir ab Tarascon-sur-Ariège die Doppelspitze des Tages in Angriff nahmen: Port de Lers (1.519 Meter) und Col d’Agnes (1.570 Meter). Beide war nur durch eine kurze Abfahrt von etwas mehr als 200 Höhenmeter) und einem Anstieg von etwas weniger als 300 Höhenmetern getrennt. Die angekündigte Schönheit des Col d’Agnes, ging bei mir wegen des kühlen Wetters und des Nebels unter. Die Abfahrt war mit 84 km/ h in der Spitze echt rasant.
Option des Tages zum Col du Saraillé
Bei einer kurzen Kaffeepause (der ersten!) im kleinen Dorf Ercé beschlossen wir, daß wir die Option des Tages unbedingt in Angriff nehmen wollen. Übrig blieben am Ende nur drei Fahrer, einschließlich Guide. Der Abstecher über die „schöne Panoramastraße“ hat sich gelohnt. Auch wenn ich am Anstieg einen plötzlichen Hungerast hatte und meine komplette noch vorhandene Verpflegung in mich hineinstopfte um nicht vom Rad zu fallen. Am Col du Saraillé war alles wieder vergessen. Die Abfahrt war leider durch Rollsplit verdorben. Dafür ging es im Tal in flotter Fahrt mit wechselnder Führung zum Zielort Oust.
Sechster Tag: Klassiker
Am sechsten Tag standen die Klassiker Col de Portet d’Aspet (1.069 Meter), Col de Mente (1.349 Meter) und Col de Peyresourde (1.569 Meter) auf dem Programm. Wieder lange Kletterpassagen und tolle Anstiege. Langsam bekamen wir Routine im Klettern.
Denkmal für Fabio Casartelli
Auf der Abfahrt vom Portet d’Aspet fährt man am Denkmal für den 1995 bei der Tour de France tödlich verunglückten Radrennfahrer Fabio Casartelli vorbei. Natürlich halten alle an. Nicht alle entdecken die Gedenktafel, die an der eigentlichen Unglücksstelle an der Steinmauer angebracht wurde. Das riesige Denkmal ist nicht zu übersehen.
Anstieg zum Peyresourde
Der Anstieg zum Peyresourde war ein weiteres Highlight. Einfach unbeschreiblich. Die Bilder zeigen es. Im Tageszielort Arreau waren wir im Hotel Angleterre untergebracht. Es war das beste Hotel der Tour und es gab auch das beste Essen.
Siebter Tag: Der Tourmalet
Am vorletzten Tag stand die Legende schlechthin auf dem Programm: der Tourmalet. Mit einer Höhe von 2.115 Metern war er 1910 der erste Hochgebirgspaß der Tour de France. Allerdings in der Gegenrichtung. Vor dem Tourmalet fuhren wir auf eine weitere Legende, den Col d’Aspin (1.489 Meter).
Die Schmiede des Eugène Christophe von 1913
Zwischen beiden Pässen befindet sich eine weitere Legende: Die Schmiede, in der 1913 Eugène Christophe seine bei der Abfahrt vom Tourmalet gebrochene Gabel reparierte. Laut Wikipedia erreichte er die Schmiede nach einem 14 Kilometer langen Fußmarsch. Durch den Fußmarsch und die Reparatur verlor er mehr als zwei Stunden. Zudem bekam er eine Strafminute aufgebrummt, da ein Junge den Blasebalg bediente und Hilfe nicht erlaubt war.
Der Tourmalet
Der Tourmalet war vielleicht das Highlight der Reise. Auf der Paßhöhe herrschte dementsprechender Trubel. Wir deckten uns mit Souvenirs im kleinen Souvenirladen ein und fotografierten uns gegenseitig vor dem Denkmal „Géant de Tourmalet“. Viele Anstiege und viele gute Gefühle diese geschafft zu haben lagen schon hinter uns. Trotzdem war es ein besonders gutes Gefühl, auf der Paßhöhe des Tourmalet zu stehen. Diesen Paß kennt wirklich jeder. Nach der Abfahrt ging es durch welliges und überraschend anspruchsvolles Gelände zum Zielort Aucun.
Letzter Tag: Doppelspitze und zurück nach Tarbes
Bevor es am letzten Tag zurück nach Tarbes ging, standen noch zwei weitere legendäre Anstiege auf dem Tagesprogramm: Der Col du Soulor (1.709 Meter) und der Col du Aubisque (1.709 Meter). Der relativ kurze Anstieg zum Aubisque nach der ebenso kurzen Abfahrt vom Soulor war ein weiteres Highlight der Tour: der Cirque du Litor. Kurz zuvor hatte es geregnet und die Sonne kämpfte sich inter den Wolken hervor. Dadurch wurden die ohnehin wunderbaren Ausblicke auf Tal und Berge noch dramatischer. Zahllose Photos auf meinem Handy beweisen das.
Vom Aubisque fuhren wir geplant auf der gleichen Seite wieder hinunter. Das wäre anders gar nicht möglich gewesen, da die Straße auf der anderen Seite für ein Jedermann-Rennen gesperrt war.
Die letzten 50 Kilometer der Tour führten uns über flaches Gelände mit zwei größeren Wellen zurück nach Tarbes. Glücklich mit der eigenen Leistung und gleichzeitig enttäuscht, daß die Tour zu Ende war, kamen wir im Starthotel an.
Letzte Kaffepause Einfahrt in Ibos. Wir sind zurück.
Alles löst sich schnell auf
Sehr schnell ging jeder seiner Wege. Nur etwa die Hälfte der Teilnehmer blieb noch zum Abendessen und für die Anschlußnacht im Hotel.
Herrje, das ist ein langer Artikel geworden… War eben ne tolle Reise!
Die Touren in Zahlen
Insgesamt sind wir laut meinen Strava-Aufzeichnungen an 8 Tagen 885 Kilometer gefahren. Wir fuhren 19.300 Höhenmeter bergauf. Die Fahrzeit betrug insgesamt ziemlich genau 40 Stunden.