Sierra Nevada

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Sierra Nevada, die letzte Rennradreise des Jahres 2021. Der Oktober ist perfekt für Südspanien. Immer noch warm aber nicht mehr heiß.

Nach der Rennradreise in die Französischen Seealpen war ich in mich gegangen. Irgendetwas lief nicht richtig. Ich kam zu dem Ergebnis, es lag an mir. In eineinhalb Jahren Corona gab es nur wenige Herausforderungen oder Leistungsvergleiche. Deshalb hatte ich es mir in meiner Komfortzone bequem gemacht. Ich beschloß, ich will da raus. Ich muß wieder etwas über meinem Level fahren lernen.

Anfahrt nach Alcaucín

Meinen Gepäcktransport von Málaga zum Starthotel in Alcaucín hatte Quäldich organisiert. So konnte ich mit dem Rad nach Alcaucín fahren. Ich hatte dafür den ganzen Tag Zeit, da der offizielle Beginn erst mit dem Abendessen um 20 Uhr war.

Der Abschied aus Málaga fiel mir wieder schwer. Und so habe ich erst noch ein paar Runden in Málaga gedreht. Highlight war die Entdeckung des Parkes Monte Victoria. Eine kleine Straße durch den Wald, fast Mitten in Málaga.

Parque Forestal Monte Victoria
Parque Forestal Monte Victoria

Aber irgendwann mußte ich mich doch auf den Weg machen. Ich fuhr erst entlang der Küste bis Benajarafe. Praktisch durchgängig auf dem Radweg. Nur an der Zementfabrik ging es für ein Stück sogar auf die Autobahn. Hier war zu wenig Platz für einen Radweg.

Der Radweg führt konstant direkt am Strand entlang. Meistens in festem Sand. Von Benajarafe fuhr ich über eine kleinen Hügel bei Cajiz in das Tal des Rio Velez und des Rio Guaro. Die alten Landstraße brachte mich zum kurzen Anstieg hinauf nach Alcaucín. Kurz nach drei Uhr war ich dort.

Das Abendessen zum offiziellen Beginn wurde das längste der Tour. Jeder Gang dauerte etwa eine Stunde. Nach gut drei Stunden hatten wir es überstanden.

Tag 1: Hoch um den Viñuela Stausee

Die Tour um die Sierra Nevada begann mit einer kürzeren Etappe zum Eingewöhnen. Am wenig gefüllten Viñuela Stausee vorbei fuhren wir zum Puerto del Sol. Ein eher kurzer Anstieg auf immerhin schon 1.085 Meter. Zurück ging es in eine Acht wieder am Stausee vorbei nach Viñuela.

Am Abend regnete es ausgerechnet als wir zum Abendessen gehen wollten. Deswegen fuhren wir das kurze Stück kurzerhand mit dem Bus. Wenn es in Spnaine regnet, dann regnet es. Wir waren wohl nicht die einzigen mit der Ideen. Ein Auto nach dem anderen fuhr plötzlich vor dem Hotel vorbei. Sogar eine Polizeistreife war darunter. Wir mußten etwas warten, denn Sitze hatte der Bus nur vorne.

Tag 2: Kleine Sierras und Costa Tropical

Schon am zweiten Tag verstand sich die Gruppe super gut. Wir fuhren einen langen Anstieg zur „Balkonstraße“ von Canillas de Aceituno nach Cómpeta mit tollen Ausblicken aufs Meer. Es folgten zwei kurze Anstiege. Der erste von Torrox war allerdings doch recht steil. Wir hatten einen platten Reifen und einen Sturz. Das Vorderrad war einfach in der Kurve weggerutscht. Pech. Gut, daß es der einzige und recht glimpfliche Sturz der gesamten Tour blieb.

Kaffeestop des Tages machten wir an einer plötzlich stark befahrenen Nebenstraße bevor wir weiter in Richtung Meer fuhren. In Nerja waren wir dem Meer schon recht nah. Doch erst in La Herradura erreichten wir es dann wirklich. Aber wir waren noch nicht am Ziel. Ein kurzer Hügel stand uns noch im Weg bevor wir am Ziel der zweiten Etappe in Almuñecar angekommen waren.

Tag 3: Ikonische Bergauf-Landschaften

Am Morgen fuhren wir unter der Autobahn hinaus aus Almuñecar hinauf in Richtung Sierra Nevada. Nach kurzer Überführung folgte direkt der Anstieg auf der Carretera de la Cabra zum Cruze de Jayena. Es war ein wunderbarer Anstieg mit tollen Ausblicken bis zum Meer. Die praktisch autofreie Straße war mit mehr als 20 Kilometern allerdings auch recht lang. Kurz nach der Paßhöhe wartete der Bus mit der Mittagsverpflegung.

Nach einer schönen Pausenlänge ging es schließlich weiter. Eine lange und technisch einfache Bergabfahrt in rasantem Tempo folgte. Im anschließenden flachen Stück fuhren wir zunächst mit weit über 40 in der Gruppe weiter. Nachdem ich kurz in der Führung war und die Gruppe auf drei Mann zusammengeschrumpft war, konnte ich auch nicht mehr dranbleiben und fiel zurück. Etwas weiter fand sich die Gruppe wieder zusammen. Die noch folgenden kurzen Anstiege fielen mir dann doch recht schwer.

Der letzte Anstieg führte schließlich zum Hotel in Lanjarón. Alles im Hotel war irgendwie schwierig und man hatte den Eindruck, man bildete sich ordentlich was auf das Hotel ein. So ließ man uns zum Beispiel, d.h. etwa 20 Radfahrer, mehr als eine halbe Stunde hinter dem Hotel mit unseren Rädern stehen und gab uns Zimmer nach hinten raus mit Blick auf die Wand. Hier blieben wir zwei Nächte.

Tag 4: Die Alpujarras

Die schon vierte Etappe der Tour in der Sierra Nevada war eine Rundfahrt aus Lanjaron in die Alpujarras und zum Schinkendorf Trevelez. Der erster Berg des Tages bot wieder tolle Aussichten bis hinab zum Meer. Aber auch einen sehr langen Anstieg mit mehr als 800 Höhenmetern. Erster Stopp des Tages war kurz nach der Haza del Lino. Die anschließende wundervolle Abfahrt auf dem Kamm mit schönen Kurven und langen Geraden war für mich das Highlight des Tages und vielleicht die schönste Abfahrt der gesamten Rundreise. Vor der Mittagspause folgte noch eine weitere lange Bergauffahrt. Meine Beine taten weh aber die Aussicht auf die Verpflegung half. Anschließend ging es wellig weiter nach Trevelez. 

Stopp in Trevelez mit dem üblichen Cafe con Leche, Cola und Fanta. Dazu gab es hier aber den berühmten Jamon Serrano Schinken.

Die Auffahrt zurück nach Lanjaron war geprägt von viel Verkehr und ein paar drängelnden Auto. Alles in allem waren wir zum Glück recht schnell oben.

Tag 5: Erst Portichuelo, dann Ragua

An Tag fünf fuhren wir zunächst aus Lanjarón den Berg hinunter nach Orgiva. Am Ortsausgang folgte der erste kurze Anstieg. Anschließend ging es erst wellig und dann steiler weiter bis zur Balkonstraße durch weiße Dörfer bis Laroles. Den längeren Anstieg vorbei am Steinbruch kannten wir schon vom Vortag.

Die eigentliche Steigung des Tages fuhren wir zum Abschluß mit fast 1000 Höhenmetern auf den Puerto de la Ragua. Erst wollten meine Beine gar nicht. Je näher der Gipfel kam, desto besser ging es und mit zunehmender Euphorie immer besser. Der nächste Tag war ja fast wie ein Ruhetag.

Endlich oben angekommen machten wir ein paar Paßschildfotos und nahmen bald die sehr schöne Abfahrt nach Calahorra in Angriff. Wir wurden belohnt mit faszinierenden Blicken ins Tal und in die weite Ebene auf Calahorra und das Castillo, auf viele Windräder in der Ebene und ein riesiges Solarfeld.

Wir schliefen wieder in einem sehr schönes Hotel mit recht passablem Abendessen. Der Tag klang im Hotelgarten aus. Am nächsten Tag ging es endlich nach Granada.

Tag 6: Canyons, Höhlen und Granada

Am aktiven Ruhetag fuhren wir zunächst recht flach auf Hauptstraßen und Nebenstraßen nach Guadix. Wir konnten eine Höhlenwohnung besichtigen und vom Dach in einer Rundum-Aussicht Guadix bestaunen. Anschließend fuhren wir in toller Landschaft weiter bis zum Verpflegungspunkt mit Aussicht.

Nach der Pause folgte eine kurze Talfahrt und ein Roller-Anstieg zum einzigen Pass des Tages, dem Puerto de Los Blancares. Ich habe aus der Abfahrt Schwung mitgenommen und bin an der Gruppe vorbeigefahren. Trotz für mich sagenhafter 300 Watt für ein unfaßbar langes Stück, hatte ich keine Chance, als erster anzukommen. Als ich dachte, ich sei alleine, fuhren aus dem Nichts drei Mann an mir vorbei. Als der vierte auch noch kam, wollte ich wenigstens an ihm dranbleiben. Das klappte nicht. Ich gab auf und ließ ihn fahren. Fast im selben Moment tauchte das Passschild auf und ich habe ihn doch noch eingeholt. Unglaublich, wie viel über den Kopf gesteuert wird. In jedem Fall hatten wir sehr viel Spaß.

Weiter ging es bergab bis nach Granada. Die Einfahrt in die Stadt mit viel Verkehr war nach den Tagen der Überlandfahrten sehr ungewohnt. Das Hotel lag perfekt mitten in der Altstadt von Granada.

Am Abend hatte Quäldich eine Führung durch die Paläste der Alhambra für uns organisiert. Ich denke, alle wollen wiederkommen.

Tag 7: Pico del Veleta

An Tag sieben stand der Pico del Veleta auf dem Programm. Das Highlight der Tour. Die höchste befahrbare Straße Europas liegt in der Sierra Nevada. Wir fuhren hinauf auf 3.396 Meter.

Wir ließen das belebte Granada schnell hinter uns und fuhren die gleiche Strecke zurück, die wir am Vortag auch gekommen waren. Am Stausee ging es von der Hauptstraße ab in das kleine Dorf Monachil. Am Ortsausgang begann der eigentliche Anstieg zum Veleta. Es war eine winzige Straße auf der kaum ein Auto Platz hatte. Das erste Stück war recht happig weil deutlich zweistellig. Dann endlich ging es mit den üblichen Prozentwerten weiter.

Der Anstieg war endlos. Einfach nicht darüber nachdenken. Es kam ein Schild: 2.000 Meter Höhe. Dann ein weiteres 2.250 Meter. Auf 2.500 Metern wartete der Bus. Hier gab es die Verpflegung. 3 Stunden und 10 Minuten war ich schon unterwegs. Der Gipfel war auf fast 3.400 Metern.

Ein paar Getränke, eine kurze Stärkung. Es fehlten noch fast 1.000 Höhenmeter. Ich fuhr weiter. Es war doch sehr frisch hier oben. Da war die berühmte Schranke. Foto. Weiter auf der Straße mit Wanderern aber ohne Autos. Erstaunlich viele Leute wollten zum Pico de Veleta hinaufwandern.

Die Straße wurde, wie angekündigt, stetig schlechter. Richtig große Löcher tauchten immer öfter aus. Es ging hinauf und hinauf. Und es zog sich. Die Gravelstücke wurden schlimmer und länger. Immerhin konnte man fast bis zum Gipfel fahren. Ich hatte erwartet, weiter laufen zu müssen. Nur die wirklich letzten Meter mußten wir laufen und dann mit den Rädern über die Felsen zum richtigen Gipfel klettern. Es war wirklich der höchste Punkt. Es ging nicht mehr höher. Gipfelfoto gegen die Radetikette musste einfach sein.

Wir genossen eine Weile das Gefühl, angekommen zu sein. Wir machten Fotos von der spektakulären Aussicht vom Gipfel. Schließlich musste die Abfahrt doch in Angriff genommen werden. Wieder über die Felsen klettern und das Rad zunächst vorsichtig über den Kies bergab rollen. Es dauerte eine ganze Weile bis man das Rad laufen lassen konnte. Unfassbar wie weit hoch wir gefahren waren. Das merkte ich beim Aufstieg gar nicht so. Die Hände wurden immer wieder taub. Es war kalt. Dann war endlich der Bus wieder erreicht. Alle hatten hervorragende Laune und waren euphorisch.

Stärken und rein ging es in den zweiten und längeren Teil der langen Abfahrt. Eine Weile war es noch recht kalt und frisch bis endlich die Wärme zu spüren war. Die Abfahrt nahm kein Ende. Wir waren den anderen zu zweit davongefahren. Wir sahen niemanden mehr. Also fuhren wir weiter bis zum Hotel. So blieb uns auch noch etwas mehr Zeit zum Ausruhen vor dem Abendessen. Und ich brauchte Zeit zum Ausruhen. Deswegen verzichtete ich schweren Herzens auf einen weiteren Besuch der Alhambra.

Tag 8: Schußfahrt nach La Viñuela

Die kurzen Wellen fielen mir schon die letzten Tage immer schwer. Nach dem Veleta war es noch schlimmer und ich hatte jedes Mal Mühe, an der Gruppe dran zu bleiben. Ich brauchte an jedem Anstieg immer etwas, bis die Beine wieder liefen.

Sierra Nevada - iamcycling
Endlose Straße

Nach einem Stück im Flachen kam der kurze Anstieg zum Suspiro del Moro an dem Boabdil nach der Legende der verlorenen Alhambra einen letzten, seufzenden Blick zuwarf. Nach der folgenden Abfahrt schloß sich die mit Abstand ödeste und schlimmste Straße der gesamten Tour an. Nur geradeaus. Ewig lang, eine breite Straße. Endlos. Einfach furchtbar. Das kann ich überhaupt nicht leiden. Trotzdem war ich bis auf unter 100 Meter an die Ausreißer rangefahren bevor meine Motivation endgültig weg war und somit auch meine Kraft. Dann ging es auch noch endlos auf der immer noch genauso breiten Straße bergauf. 

Nach der Verpflegung fuhren wir zum letzten Passschild des Tages. Die Steigung konnte ich wieder deutlich besser fahren und hatte sogar richtig Druck auf dem Pedal. Die Motivation war zurück.

Es kam die letzte Abfahrt des Tages. Michi fuhr vorne. Die ganze Abfahrt und fast die gesamte Hochebene. Und das mit Gegenwind. Fast bis zum nächsten Dorf. Unfassbar. Ich hatte Mühe, im Windschatten dran zu bleiben. Hätte ich führen müssen, hätte ich den Anschluß verloren.

Nach der Durchfahrt durch Ventas de Zafarraya ging es weiter bergab mit tollem Panorama in Richtung Provinz Malaga. Die Sierra Nevada lag hinter uns. Wir furhen zum sehr schönen aber auch leider letzten Hotel der Tour in La Viñuela.

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Zurück in den Montes de Málaga

Tag 9: In die Montes de Málaga

Zu meiner Überraschung wollten am letzten Tag fast alle die längere Strecke fahren. Das war auf meinen bisherigen Reisen anders. Nach der Abfahrt vom Hotel fuhren wir zuerst noch weiter bergab bis fast auf Meeresniveau. Wir fuhren auf der alten Straße parallel zur neuen Hauptstraße. Dann begann der Anstieg nach Comares. Los ging es mit einem sehr steilen Stück. Es dauerte lange, bis sich die Steigung im üblichen Rahmen einpendelte. Aber nach mehr als einer Woche Radfahren zog sich der Anstieg auch mit einfacheren Prozentzahlen. Die Beine taten immer wieder weh aber insgesamt war ich mit dem letzten Tag ganz zufrieden. Ein Einbruch blieb aus.

Zum soundsovielten Mal Cafe con Leche, Cola und Fanta in Comares. Aber bei einer sehr netten Wirtin. Sie leitete uns mitsamt unserer Räder auf ihre Sonnenterrasse. Wir bauten einen großen Tisch zusammen und erfreuten uns gemeinsam mit Gruppe 1 am tollen Wetter und der Aussicht. Wir würden ja allzu bald wieder zurück im deutschen Herbst sein.

Anschließend fuhren wir weiter zum Puerto del Leon. Erst wellig auf der Höhe, mit wunderbaren Aussichten. Dann ging es bergab nach Colmenar. In den Wellen bergauf hatte ich wieder Schwierigkeiten dran zu bleiben. Gut daß ich in den Abfahrten die Lücken wieder schließen konnte. In Colmenar machten wir den letzten Halt der Reise. Fast alle haben etwas gegessen. Ich suchte mir einen Teller Fritura Malagueña raus. Der lag mir dann doch etwas schwer im Magen und gab die benötigte Energie zu langsam ab. Also blieben meine Beine schwer.

Die letzte Abfahrt zum Hotel fuhren wir wieder zu dritt. Nach dem kurzen Anstieg hinauf zum Hotel war schließlich auch die letzte Tour der Reise in der Sierra Nevada vorbei.

Ausblick vom Balkon
Ausblick vom Balkon

Das war gut

Erstens:

Meine Gruppe zwei, die „ausdauernde Gruppe“ war klasse. Die gesamte Reisegruppe war klasse. Die Hotels waren toll. Die Organisation war perfekt. Es ist bei jeder Reise aufs Neue beeindruckend, wie eine Gruppe gleichgesinnter in nur einer Woche zusammenwachsen kann.

Und zweitens:

Raus aus der Komfortzone war die richtige Entscheidung. Es ging. Und sogar länger als gedacht. Und weiter als gedacht. Ich fuhr Wattwerte wie noch nie. Schade, daß die Saison praktisch zu Ende ist. Aber die nächste kann kommen. Motivation habe ich genug getankt!

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