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Die L’Etape du Tour 2019 startete in Albertville. Über den Cormet de Roselend und den Côte de Longefoy ging es hinauf nach Val Thorens. Ein nicht sehr steiler, mit 33 Kilometern aber sehr langer finaler Anstieg. Drei Steigungen, 4.500 Höhenmeter und sehr heiße Temperaturen.
Die Fahrt zum Start
Die ersten 25 Kilometer hatte ich vor dem Start schon in den Beinen. Dies war die Distanz bis von der am nächsten gelegenen Unterkunft, die ich noch gefunden hatte. Die Strecke führte flach an der Isére entlang. Aber eine Stunde lang.
Der Start
Gegen sieben war ich in meinem Startblock. 7:37 war unsere Startzeit. Der Start wird bei der L’Etape du Tour zelebriert. Mit Wimpeln über der Straße, einem Vorhang, durch den man fährt, natürlich Musik, ein Sprecher und Didi Senf, der berühmte Tourteufel.
Zum ersten Anstieg: Cormet de Roselend
Die ersten 20 Kilometer führten bereits leicht bergauf. Es ging zügig voran. Dann kam auch schon die erste Steigung. 20 Kilometer hinauf zum Cormet de Roselend. Na klar, irgendwoher müssen die 4.563 Höhenmeter ja herkommen.
Der Kopf meldete sich
Der Kopf begann zu arbeiten: Es sind ja nur diese 20 Kilometer zu überstehen. Dann noch der kurze, kleine Hügel in der Mitte. Und die 33 Kilometer nach Val Thorens werde ich mich schon hinaufkämpfen. 1:36 brauchte ich nach offizieller Zeitmessung bis zum Gipfel des Cormet de Roselend. Auch bis zum ersten Glücksgefühl. Ein toller Berg.
Kraft in der Abfahrt
Man darf nicht unterschätzen, daß es in den Alpen bergab nicht von alleine geht. Erst recht nicht in einem „Rennen“. Man muß zwar nicht auf Autos aufpassen, stattdessen auf überholende Fahrer, die sich mit mehr Mut die Abfahrt hinabstürzen. Andere wiederum fahren prinzipiell Ideallinie, ohne auf Mitfahrer zu achten. Kraft in den Armen braucht man zum Kurven anbremsen. Am Ende der Abfahrt mein erster kurzer Verpflegungsstopp.
Côte de Longefoy
Nur etwa 10 Kilometer ging es flach bis zum „kleinen Hügel“, dem Côte de Longefoy. Nur sieben Kilometer ist der Anstieg lang. Dachte ich. Nach dem „Gipfel“ ging es aber noch gut fünf Kilometer weiter bergauf. Hätte man eigentlich wissen können…
Anstieg nach Val Thorens
Wieder nur etwa fünf Kilometer flach und 100 Kilometer waren geschafft. Das hieß auch, der Beginn des Anstiegs nach Val Thorens war erreicht. Und ein weiterer Verpflegungspunkt.
Der letzte Anstieg begann. Der Stopp nach 100 Kilometern war notwendig. Aber nach einem Stopp sind die Beine nicht wieder frisch. Das Losfahren fiel schwer. Es dauert etwas, um wieder einen Rhythmus zu finden. Und die ersten Fahrer saßen und lagen bereits zu Beginn der Steigung am Straßenrand. Das macht das Fahren nicht einfacher. Der Kopf arbeitet wieder. Die Versuchung ist groß, ebenfalls anzuhalten. Aber dann wird’s nichts mit dem Ziel in Val Thorens. Wenigstens die 18 Kilometer bis zur Verpflegungsstelle, kurz nach der Hälfte des Anstiegs, mußte ich schaffen. 18 Kilometer! Fast zwei Stunden. Nur bis zur Hälfte!
Beißen, treten, Wiegetritt, Rhythmus. Kopf ausschalten. Versuchen. So gut es geht. Immer wieder Fahrer im Weg. Warum fahren alle bloß immer links? Der Kopf blieb an. Ich konnte nur an die Länge des Anstiegs denken und wieviele Kilometer noch zu fahren waren. Die Versuchung war groß, einfach anzuhalten.
Endlich die Verpflegungsstelle erreicht
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam die Verpflegungsstelle doch. Hier hatte ich es mir erlaubt, anzuhalten. Endlich. Beim Laufen merkte ich erst, wie kaputt ich war. Mir war etwas schwindelig. Trinken, viel trinken und essen. Energie tanken. Es fehlten ja noch 15 Kilometer. Hinsetzen. Ausruhen. Hinlegen ist besser. Das tat gut und mußte sein. Noch mehr trinken, noch mehr essen und hinsetzen. Keine Ahnung, wie lange ich mir Zeit nahm. Jetzt kam es nur noch darauf an, das Ziel zu erreichen.
Der Bauch war voll. Mehr essen und trinken ging nicht mehr. Voller Energie fühlte ich mich trotzdem nicht. Irgendwann fuhr ich automatisch weiter. Was war das? Es ging bergab! Nur kurz aber die schnellen Meter gaben neue Motivation. Das Ziel war schneller als erwartet ein ganzes Stück näher gekommen. Etwas weiter oben ging es nochmal ein kurzes Stück bergab. Und flacher schien es auch zu sein. Noch fünf Kilometer! Fast da! Man konnte Val Thorens schon in der Ferne sehen.
Das letzte Stück
Noch drei Kilometer! Dann der Blick nach oben. Ein spontaner Krampf im rechten Oberschenkel. Mit mir heute nicht mehr, schien er zu sagen. Es ging nicht mehr. Die Krämpfe davor lösten sich beim Fahren wieder. Dieser nicht. Ich mußte anhalten. Riesige Spitzkehren. Weit oben. Ich hielt trotzdem nur kurz. Ausruhen konnte ich gleich im Ziel.
Auf den letzten drei Kilometern wurde es nochmal steil. Hier standen schon Camper. Stehen die hier wegen uns? Bleiben die hier stehen bis zur Tour Etappe in sechs Tagen? Beides ergab keinen Sinn.
Die erste Galerie, die Schrift auf der Straße zur Deutschland-Tour in Erfurt. Die Jungs hatte ich malen sehen, als ich mein Auto einen Tag vorher zum Ziel gefahren habe. Dann die letzte Galerie kurz vor der Ortseinfahrt.
Die „Flamme Rouge“, der letzte Kilometer. Es ging bergab! Aber ich kannte die Strecke ja vom Vortag und wusste, daß es noch einmal bergauf ging. Und bestimmt 500 Meter lang. Bis ins Ziel. Noch ein letztes Mal beißen war angesagt. Und dann hatte ich es doch geschafft!
Das alles für eine Medaille
Im Ziel gab es eine Medaille für die Finisher der L’Etape du Tour. Und Wassermelone! War als Highlight angekündigt worden. Sonst nicht viel. Wasser. Und Bier. Aber kein alkoholfreies. Überhaupt ist die Verpflegung anders als in Deutschland. Alkoholfrei kennt man in Frankreich praktisch nicht. Und Coca Cola ist das Sportgetränk Nr. 1. Unklar. Nun gut. Gesundes oder Sportnahrung gab es jedenfalls fast gar nicht.
Statistik
Auf der Webpage der L’Etape du Tour kann man lesen, daß 12.760 Fahrer am Start waren. 10.134 erreichten das Ziel. Das heißt, daß mehr als 2.500 das Rennen aufgaben oder nach Zielschluß ankamen. Da die Strecke für Autos erst nach dem Ende der Veranstaltung wieder freigegeben wurde, stand ich bis zum Schluß an der Strecke. Man gab Nachzüglern noch gut eine halbe Stunde länger Zeit, nachdem das Schlußfahrzeug schon durchgefahren war. Und selbst als ich auf dem Heimweg war, fuhren und standen noch etliche Fahrer auf der Straße nach Val Thorens und hatten noch nicht aufgegeben, es wenigstens für sich zu schaffen.
16.000 Anmeldungen sollen es gewesen sein. Sogar einen kurzfristig ergänzten 16. Startblock gab es noch. Auch die Zahl ist überraschend: 3.240 angemeldete Nichtstarter. Die L’Etape du Tour ist eine Veranstaltung der großen Zahlen.
Mein Resümee
Nachdem ich letztes Jahr irgendwo im Mittelfeld landetet, war mein Ziel für diese Jahr ein Platz im oberen Drittel. Am Ende belegte ich mit einer Zeit von 8:43:32 den 5.644. Platz. von 10.134 Finishern. Doch wieder Mittelfeld. Im letzten Jahr war ich am Ende enttäuscht weil ich dachte, es hätte besser gehen können. Dieses Jahr war ich froh, daß ich das Ziel überhaupt erreicht hatte. Es war sowieso die längste Fahrt mit dem Rad, die ich bislang gefahren bin. Selbst meine weiteste Fahrt, 226 Kilometer von Dresden nach Berlin, habe ich etwas schneller geschafft.
Resümee der Veranstaltung
Es fehlt noch ein Resümee der Veranstaltung. Im letzten Jahr war ich durchweg begeistert. Diese Jahr nicht ganz so. Sowohl der Start in Albertville als auch das Ziel in Val Thorens kamen nicht an Annecy und Le Grand Bornand den l’Etape du Tour Orten 2018 heran. Das Ziel in Le Grand Bornand war in der Mitte des Ortes. Wunderschön mit vielen Zuschauern. In Val Thorens war das Ziel 500 Meter außerhalb in einer Geröllwüste. Die Pastaparty war im letzten Jahr gar nicht schlecht. Dieses Jahr war mir der Weg zurück bis weit hinter das Ziel viel zu weit zu laufen.
Genauso der Start im Olympiagelände in Albertville. Parkplatzatmosphäre. In Annecy war der Start praktisch in der Stadtmitte, entlang des Sees. So verschieden kann die gleiche Veranstaltung sein. Für meine nächste Teilnahme werde ich mir die Veranstaltungsorte erst genauer Ansehen. Es steckt schließlich einiger Aufwand hinter der Teilnahme. In diesem Jahr für den Hinweg eine ungefähr 1.300 Kilometer weite Autofahrt. Und für den Rückweg nochmal das Gleiche.