Mit dem Rennrad am Gardasee als letzte Reise des Jahres. Meine komplette Saisonplanung und fast alle meiner gebuchten Reisen waren eine nach der anderen wegen Corona ins Wasser gefallen. Also war mein letzter Ausweg, mit Auto und Rennrad an den Gardasee zu fahren.
Cote d’Azur, Mallorca und Sierra Nevada. Alle meine geplanten Reisen für den Herbst waren auch wieder abgesagt worden. Auf der „Short-List der letzten Möglichkeiten“ blieben zwei Alternative: an die Algarve mit dem Flugzeug oder in die Dolomiten mit dem Auto. Um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, wurde es zunächst die Autofahrt nach Badia in den Dolomiten. Mit dem Auto ist man unabhängig.
Doch es gibt nicht nur Corona. Eine Woche vor Abreise sagte der Wetterdienst Regen und Kälte für die Dolomiten voraus. Was soll ich in den Bergen mit dem Rennrad bei Regen und Kälte? Also stornierte ich Badia und fuhr noch ein Stück weiter: zum Gardasee. Da hätte ich schon eher drauf kommen können.
Es war eine gute Wahl. Zwar war es auch am Gardasee schon etwas frisch. Aber sechs Tage in Folge hatte ich Radwetter und fast durchgängig Sonne. Bevor an den beiden letzten Tagen das schlechte Wetter auch am Gardasee angekommen war. Da die Vorhersage genau das vorhersagte, fuhr ich sechs Tage am Stück mit dem Rennrad am Gardasee ohne Ruhetag.
Die Anreise
Von Dresden aus sind es etwa 850 Kilometer nach Riva. Für die Strecke berechnete Google etwas mehr als 9 Stunden Fahrzeit. Wenn alles gut geht. Ich fuhr statt Samstag früh bereits Freitag Nachmittag direkt von der Arbeit los. Aber nur an München vorbei, was ziemlich genau der halbe Weg war. Dort hatte ich ein günstiges Hotel gefunden. Samstag früh um neun ging es weiter und gegen 14 Uhr war ich in Riva.
Auspacken, ein Stück Pizza an der Ecke geholt und rauf aufs Rad. Die Touren hatte ich alle zu Hause ausgeplant. Eine optionale Einrollrunde war natürlich auch dabei.
Samstag: Einrollrunde zum Monte Velo und nach Santa Barbara
Eine kurze Einrollrunde hatte ich vorgesehen, falls ich schon am Samstag aufs Rad wollte. Es waren nur 40 Kilometer. Aber mit dem Monte Velo und dem Passo Santa Barbara war ein Anstieg auf 1.165 Meter zu absolvieren. Da der Anstieg bei etwa 75 Metern begann, fuhr ich etwa 1:10 h bergauf.
Nach kurzer Abfahrt hatte ich bei Komoot einen Aussichtspunkt auf den See entdeckt. Dort hielt ich an. Danach plante Komoot mir eine Abfahrt direkt vom Aussichtspunkt weg. Auf einer asphaltierten Straße. Nur diese Straße war praktisch nicht fahrbar: Es war eine sehr schmale, sehr steil abfallende Straße mit sehr engen Kurven und zudem war sie sehr schmutzig. Fahrt aufnehmen ging nicht. Ich wäre gerutscht und hätte nicht mehr anhalten können. Etwa 600 Höhenmeter mußte ich mich im Schritttempo den Berg heruntertasten. Gefühlt war ich bergab langsamer als bergauf. So eine Straße hatte ich noch nie gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß hier noch irgendjemand lang fährt. Scheibenbremsen wären unbestreitbar von Vorteil gewesen.
In Torbole angekommen fing es dann an zu regnen. Nach dem bergabhangeln und durch den einsetzenden Regen kam ich recht durchgefroren von meiner Einrollrunde zurück.
Sonntag: Passo del Ballino und Passo del Duron
Die erste Tour war eine wunderbare Runde über die beiden Pässe Passo del Ballino und Passo del Duron. Die Straße von Riva hinauf zum Ballino bietet wunderbare Blicke auf den Gardasee.
Der Ballino ist nur 755 Meter hoch. Dafür schloss sich noch der Duron mit 1.039 Metern Höhe an. Zurück ging es im Bogen über eine Panoramastraße am Hang oberhalb der Sarca-Schlucht mit unglaublich steilen Abhängen und tollen Ausblicken. Am Lago di Cavedine vorbei führte die die belebte „Pista ciclabile“ im Tal entlang am Fluß Sarca über Arco zurück nach Riva.
Leider war es auch wieder recht frisch, besonders natürlich in der Höhe. Trotzdem ein guter Tag zum Rennrad fahren.
Montag: Lago de Valvestino
Die Runde für den Montag war ursprünglich eine recht kurze Runde aus der Maiausgabe des Magazins Tour von 2011: „Einsames Westufer“. Dazu kam aber für mich noch die Anfahrt von Riva, am Westufer des Gardasees entlang. Trotz der Warnungen vor den Tunnels, hatte ich mir das so nicht vorgestellt. Ich hatte angenommen, es gäbe schon mehr Radwege entlang des Sees. Am Ende bin ich, bis zur eigentlichen Runde, gefühlt mehr in Tunnels als im Freien gefahren. Wenigstens war ich vorbereitet und hatte Licht dabei.
Aber die An- und Rückfahrt zur „Tour-Runde“ hat sich gelohnt. Nach all dem Verkehr auf der Küstenstraße war es eine himmlische Ruhe auf der winzigen Straße im Anstieg zum Passo San Rocco. Danach ging es direkt weiter auf den Passo del Cavallino della Fobbia wie er bei quäldich heißt. Man ist dort auf 1.090 Metern Höhe. Es war kein Paßschild zu finden, nur ein Haus gab es. Egal.
Hinunter ging es auch wieder über eine schöne und recht kleine Straße. Nach einer Weile führte die Straße am Lago de Valvestino entlang. Auch den Stausee hatte ich mir komplett anders vorgestellt. Ich hatte ein weites, offenes Tal erwartet. Aber der See lag verzweigt in einem engen Tal.
Auf dem Rückweg, wieder die Küstenstraße entlang, hatte ich, wie schon am morgen, wieder Rückenwind und wurde bis Riva geschoben. Perfekt. Sogar die Tunnels hatten etwas von ihrem Schrecken verloren. Man gewöhnt sich an vieles.
Dienstag: Monte Baldo
Wieder eine sehr schöne Runde. Es ging los über Torbole und die Via Europa. Die Via Europa ist der Straßen-Klassiker von Torbole hinauf nach Nago.
Dann ging es weiter auf dem Radweg im Etschtal, etwa 36 Kilometer bis nach Avio. Dort begann die Ostauffahrt zum Monte Baldo auf 1.617 Meter. Wenn man Avio und die Stelle, an der die Auffahrt sein muß das erste Mal sieht, glaubt man nicht, daß dort eine Straße den Berg hinauf geht.
Es war wieder eine wunderbar ruhige Straße mit ganz vielen Serpentinen, tollen Ausblicken und vielen Felsen. Zuerst sieht man die Felsen als Riesen von ganz unten. Dann kommt man ihnen näher und ist irgendwann über ihnen. Aber ist es ein ganz schön langer Weg bis nach oben: 23,5 Kilometer und mehr als 1.300 Höhenmeter.
Bergab fuhr ich auf demWeg, an dem ich mir 2017 (allerdings bergauf) fast die Zähne ausgebissen hatte. Auch bergab ist es kein wirkliches Vergnügen über die steilen Feldwege zu fahren. Ich wäre lieber weiter auf der Hauptstraße ins Tal gerollt. Keine Ahnung, was Roadbike da getrieben hat, diesen Weg vorzuschlagen.
Mittwoch: Monte Bondone und Passo Bordala
Die in der Roadbike als „Giro-Klassiker Monte Bondone“ bezeichnete Tour war eine anstrengende Tour. Aber nicht so schön wie die anderen. Die Westauffahrt von Lasino war 22,3 Kilometer lang mit 1.220 Höhenmetern. Das bedeutete wieder mehr als zwei Stunden Anstieg. Und das fast ausschließlich auf einer sehr breiten Straße. Die verlief praktisch ständig im Wald und fast nur geradeaus auf sehr weitläufigen, kilometerlange Serpentinen. Zumindest oben belohnte der Ausblick für die monotone Auffahrt.
Kurz nach Beginn der Abfahrt war die Straße plötzlich von einem Schlagbaum versperrt. Was machen? Erst mal pullern, was essen, Landkarte checken. Ich hätte mich wahrscheinlich nicht getraut, auf der gesperrten Straße abzufahren. Auf einmal tauchten zwei Motorräder auf der anderen Seite des Schlagbaumes auf. Wo die lang fahren können, kann ich schon lange fahren. Die Sache war geklärt. Fast im Tal stellte sich heraus, daß die Straße an vielen Stellen neu geteert wurde. Für den Giro? Gearbeitet wurde aber schon im Dorf, so daß das Passieren kein Problem war.
Der Anstieg zum Passo Bordala wurde dann schwierig. Der Tag war schon lang. Es ging nochmal hinauf auf 1.253 Meter. Aber wie so oft: Die Beine sind zwar nicht mehr frisch und tun weh. Aber das eigentliche Problem ist der Rücken. Sobald die Schmerzen im Rücken beginnen, wird es schwierig.
Donnerstag: Negrar di Valpolicella und Verona
Geplant hatte ich die Tour nach Verona als lange Abschlußrunde der Reise mit dem Rennrad an den Gardasee. Die erneute Fahrt über Torbole, die Via Europa und durchs Etschtal, endete wieder an einem Schlagbaum: Die Straße nach Fosse war gesperrt. Auf der Karte sah sie nach vielen Serpentinen aus. Schade. Also kein Paß heute.
Das Stück zwischen Gardasee und Verona kannte ich schon von 2017: Es ist recht monoton. Deswegen wollte ich den kurzen Umweg über Negrar de Valpolicella fahren. Das hat sich gelohnt. Leider war der Tag etwas diesig und die Landschaft lag im Dunst. Aber es ist eine wunderbare Gegend, mit unzähligen Reben und Hügeln. Kurz vor Verona ging es auf einen dieser Hügel hinauf. Und das länger als gedacht. Dafür führte die Abfahrt dann bis direkt hinein nach Verona.
Verona kannte ich schon etwas von meinem letzten Besuch. Deswegen bin ich wahllos einige Straßen zwischen den Menschenmengen gefahren. Dann fand ich einen kleinen Imbiss, der auch für Radfahrer geeigneten war. Dort suchte ich mir ein Panini mit Büffelmozarella und Parmaschinken raus. Dazu eine Fanta. Purer Luxus. Alles zusammen kostete acht Euro. Geht.
Trotz des nicht gefahrenen Passes war es schon später als gedacht: 14:30. Zeit für den Rückweg.
Zuerst ging führte der Rückweg lange am Bewässerungskanal „Canale Biffis“ entlang, wo ich auch schon 2017 gefahren war. Danach blieb es etwas eintönig bis endlich wieder der Gardasee erreicht war.
Auch auf der östlichen Küstenstraße hatte ich wieder Glück mit dem Wind. Er schob mich die 42 Kilometer bis zurück nach Riva.
Freitag und Samstag: Regen
Freitag und Samstag regnete es fast ununterbrochen. Samstag aber nur bis Mittag. Dafür richtig heftig. Urplötzlich kam doch noch mal die Sonne raus. Das eröffnete die überraschende Möglichkeit für eine kurze Abschlußrunde.
Freitag: Sarca Schlucht und Passo de Ballino
Meine geplanten Touren war ich alle gefahren. Für die kurze Abschlußtour fuhr ich deswegen nochmal zur Sarca Schlucht, die mich sehr beeindruckt hatte. Um eine kleine Runde zu fahren, ging der Rückweg über den Passo de Ballino. Beides war ich schon gefahren. Die Abschlußtour fuhr ich in die Gegenrichtung. Dann sieht alles meist doch nochmal etwas anders aus.
Nach eineinhalb Tagen Regen und dann blauem Himmel und Sonne ist die Luft immer besonders. Die Farben leuchteten intensiv und alles duftete wunderbar.
Auf dem Weg zur Sarca Schlucht sah ich bereits viele Menschen an den Brücken stehen. Sie bestaunten die Wassermassen, die nach dem Regen in den Flüssen abflossen. Im Tal des Sarca war der Radweg an verschiedenen Stellen wegen Überflutung gesperrt. Die Hauptstraße war an einer Stelle auch nur noch einspurig passierbar. Trotzdem konnte ich meine Runde mit ein paar Umwegen fahren.
Überflutete Felder im Sarca Tal Wassermassen im Fluß Sarca
Die Sarca Schlucht war auch beim zweiten Mal beeindruckend. Weil ich durch den Regen erst recht spät losfahren konnte, wurde es in der Höhe dann wieder recht frisch. Besonders als die Sonne tiefer stand und ich im Schatten fuhr.
Ein Highlight zum Abschluß der Fahrt war der Blick in der Abfahrt auf Riva und den Gardasee. Die Tour war ein gelungener Abschluß der Rennradwoche am Gardasee.
Mit dem Rennrad am Gardasee
Ausgehend von Riva bietet der Gardasee einige anspruchsvolle Steigungen und interessante Touren. Das Rennradfahrer auf den Küstenstraßen ist auch im Herbst noch wegen des lebhaften Verkehrs nicht sehr angenehm. In Italien fährt man zwar generell entspannter Auto als in Deutschland. Trotzdem wird man eher sportlich ambitioniert überholt. Das heißt, man fährt in der Regel ohne langes Warten am Radfahrer vorbei. Der Platz reicht schon irgendwie.
Auf den Nebenstraßen war es dafür umso ruhiger. Schroffe Felsformationen, enge, steile Täler und südliche Vegetation sorgen für ein Ambiente, das die weite Anreise absolut rechtfertigt.
Das in Südtirol und um den Gardasee sehr gut ausgebaute Radwegnetz sorgt darüber hinaus für angenehmes fahren. Auch wenn die Windungen und die Streckenführung, speziell in den Ortsdurchfahrten, manchmal etwas zu gut gemeint sind. Der Gardasee bietet einige Möglichkeiten für einen abwechslungsreichen Urlaub mit dem Rennrad. Riva war für mich ein sehr guter Ausgangspunkt für meine Touren. Aus meiner Sicht, eine klare Empfehlung.
Ralf Cordes
31. Oktober 2021 — 09:03
Hallo Olaf,
die Routen die Du Dir ausgesucht hast, stellen schon eine ziemliche Bandbreite der Möglichkeiten am Gardasee dar.
Die meisten der von Dir beschriebenen Straßen habe ich auch schon „beradelt“.
Auf der Monte Baldoroute sind wir in Avio runter gekommen.
Für den Lago di Valvestino und den Lago d Idro haben wir damals die Überfahrt mit der Fähre gewählt. Die Tunnelfahrt haben wir uns gespart.
Gruß Ralf