Der Start zur Baskenlandrundfahrt war gekommen. Es ging endlich los. Wieder eine Rennradreise mit Quäldich. Eine Rundfahrt in sieben Etappen und Start und Ziel im nordspanischen Bilbao. Geplant war sie als Vorbereitung für die Tour Transalp. Aber die Rundfahrt war selbst ein eigenständiges Saisonhighlight.
Die Anreise
Mein Abflug war Freitag Abend in Dresden mit Zwischenlandung in Frankfurt. Heftige Gewitter gingen um und brachten Verspätungen und Flugausfälle. Zum Glück waren meine Flüge nur wenig davon betroffen. Mit etwa zwei Stunden Verspätung kam ich gegen 1:30 in Bilbao im Hotel an.
Der Anreisetag
Offizieller Anreisetag war erst am Samstag. Die Einrollrunde sollte um 15:30 Uhr beginnen. Also hatte ich Zeit, Bilbao zu erkunden. Mit kurzen Umwegen lief ich zum Guggenheim Museum. Logisch. Um nicht in Zeitnot zu geraten hatte ich beschlossen, keine Ausstellung anzusehen. Das Gebäude ist das Besondere. Es hat Bilbao berühmt gemacht und den Strukturwandel der Stadt eingeleitet. Es wurde ein voller Erfolg. Bilbao hat sich zu einer sehr interessanten Stadt ohne den ganz großen Touristentrubel entwickelt.
Der Prolog: Bilbao – Bilbao
Nach dem Zusammenbau des Rades war noch etwas Zeit für ein kurzes Mittagessen. Ein Stück Pizza in der Altstadt mußte genügen. Die Einrollrunde rückte näher. Etwa die Hälfte der Teilnehmer war schon angereist und nahm teil. Wir fuhren in mäßigem Tempo zur Küste nach Gorliz und nach einem Kaffeestopp am Strand wieder zurück nach Bilbao. Wolken hatten die Sonne pünktlich zum Start der Runde verdeckt, so daß es für den Anfang nicht zu heiß wurde. Man konnte schon auf der kurzen Runde sehen, daß der Norden Spaniens ein ganz anderes Spanien ist. Sehr grün und eher mitteleuropäisch.
Wie meistens war wieder offizieller Start der Rundfahrt mit dem Abendessen im Hotel. Für die Baskenlandrundfahrt blieb es bei einer vergleichsweise kleinen Gruppe mit überschaubaren 15 Teilnehmern, 3 Guides und einem Fahrer.
Tag 1: Von Bilbao nach Valle
Wir verließen Bilbao wie am Vortag: An der Ria entlang bis zur Bizkaya-Brücke. Es ist eine Hängebrücke, die etwa vier bis sechs Autos transportieren kann. Weltkulturerbe. Älteste Schwebefähre der Welt. Ich hatte keine Ahnung, daß es so etwas überhaupt gibt.
Nach der Überfahrt begann auf der anderen Seite direkt der erste Anstieg mit stattlichen Prozentwerten. Nach einem weiteren Anstieg war bereits Zeit für die Mittagspause am Bus. Gegessen habe ich gar nicht so viel. Aber getrunken. Offensichtlich hatte ich das den Vormittag über mal wieder vergessen. Es war sehr schwül.
Direkt am Ende der langen Abfahrt nach der Pause bekam ich Krämpfe in den Beinen. Am Vormittag war ich zu euphorisch gefahren. Anfängerfehler. Ich konnte meiner Gruppe nicht mehr folgen. Nach einer Weile ging es zwar wieder etwas besser. Die Krämpfe kamen aber immer wieder.
Kurz vor halb sechs hatten wir das Zielhotel in Valle erreicht. Ein umgebauter alter Landsitz auf einem sehr schönen Anwesen. Zum Abendessen änderte sich das Wetter und ein heftiger Regenguss donnerte auf den Wintergarten.
Tag 2: Von Valle nach Espinosa
Bereits an Tag 2 fuhren wir die Königsetappe: Fünf Anstiege auf 120 Kilometer und 3.500 Höhenmeter. Ich fuhr etwas vorsichtiger und fuhr meiner Gruppe konstant hinterher. Nicht weit, aber hinterher. Der Tag war im Gegensatz zum Vortag recht frisch. Den letzten Anstieg fuhren wir hinauf in Nebel und Regen. Die Abfahrt war dann auch entsprechend frisch. Der Regen hörte bald wieder auf aber die Hände wurden taub. Nach einer kurzen Pause ging es zu dritt in rasantem Tempo der Gruppe hinterher bis zum Zielhotel.
Die meisten gönnten sich an der Hotelbar das verdiente Bier. Mir war mehr nach duschen und wärmen. Eigentlich war es trotz des Wetters eine sehr schöne Etappe. Dieses kühle und feuchte Wetter paßt irgendwie in die Gegend. Man spürt die Ausläufer der Pyrenäen. Kühe auf der Straße, kaum Autos. Sehr schön.
Tag 3: Von Espinosa nach Elorrio
Nach der Königsetappe folgte eine Überführungsetappe. Recht flach und recht flott. Eigentlich wollte ich in Gruppe 2 wechseln. Hab es mir dann aber doch nochmal anders überlegt. Ich konnte doch meinen Zimmerpartner nicht alleine lassen.
Immer wieder wechselnd zwischen Nebenstraßen und Seitenstreifen von Hauptverkehrsstraßen waren wir zügig bei der Mittagsverpflegung angekommen. Es ging mir recht gut im Windschatten. Ich aß nur leicht verdauliches, um auch nach der Pause keine Probleme zu bekommen. So ging es überraschend gut weiter.
Auf einem Hochplateau, kurz vor dem letzten Anstieg des Tages hatten wir einen platten Reifen in der Gruppe. Die Gelegenheit, meine neue Pumpe vorzuführen. Sie sorgte für Aufsehen. Ich glaube, niemand kannte sie.
Auf der Abfahrt zum Hotel bremste uns ein großer LKW aus. Unser Guide Marco sagte anschließend im Hotel, daß das vielleicht gar nicht schlecht war, daß der LKW uns ausbremste. Ich glaube, er hatte recht.
Tag 4: Von Elorrio nach Zudaire
Auch an Tag 4 war es immer noch kalt. Wir hofften jeden Tag auf besseres Wetter. Aber es kam nicht.
Erster Anstieg war der berühmte Berg der Basken, der Arrate. Ich fuhr immer noch halbwegs in der Gruppe mit. Meine Wattwerte hatten sich erholt und waren wieder recht gut. Aber es kostete mich insbesondere in den Anstiegen immer einiges, um dran zu bleiben. Trotz zunehmender Erschöpfung waren meine Wattwerte immer noch mindestens auf Vorjahresniveau. Man kann offensichtlich auch in fortgeschrittenem Alter noch besser werden.
Wieder half unser Guide Marko auf den letzten Kilometern. Er kam Daniel und mir entgegen und brachte uns ins Zielhotel. Toll. Auch Stephan versuchte, uns mit dem Bus Windschatten auf der Hochebene zu geben. Das hat schon Spaß gemacht. Aber meine Probleme nahmen zu.
Tag 5: Von Zudaire nach Lekunberri
Zum Frühstück in Zudaire gab es Nudeln und Reis mit Tomatensoße. Man kannte sich aus. Es war wohl mal ein Profiteam zu Gast gewesen. Nudeln zum Frühstück mußte ich ausprobieren. Und es war gar nicht schlecht. Geholfen hat es nicht wirklich. Die Beine waren endgültig schwer und nicht mehr zu retten. Der Puls blieb niedrig. Ein Zeichen, daß die Anstrengung zu viel wurde.
Und es war immer noch kühl. Die Sonne zeigt sich zwar aber nur kurz. Der letzte Anstieg zog sich auf 15 Kilometer. Anstieg zum Santuario de San Miguel de Aralar, einem der heiligsten Berge der Basken. Wieder ging es hinauf in den Nebel. Und zwar ganz hinauf. Vom Anstieg zu den Sendemasten hielt uns weder der Nebel noch die nicht vorhanden Aussicht ab. Egal. Hauptsache bergauf und einen neuen Gipfel bezwungen.
Ein paar Meter weiter machten wir in der Berghütte Pause mit Kaffee, Kas Orange und Kuchen. Man wußte nicht mehr, ob Räder oder doch Ski vor der Tür warteten. Durch den Nebel war alles in leichtes weiß getaucht.
Die lange Abfahrt nach Lekunberri war sehr kalt. Umso schöner war wieder einmal die Dusche. Lekunberri klingt fast nach Nordirland. liegt aber im Baskenland. Und Hemingway war auch da. Im gleichen Hotel!
Tag 6: Von Lekunberri nach San Sebastián
Endlich wurde das Wetter wieder besser. Einen Tag später als vorher gesagt. Aber egal. Für mich war es am Vormittag der letzte Versuch, an meiner Gruppe dran zu bleiben. Meine Kräfte und meine mentale Energie waren aufgebraucht. Ich mußte etwas rausnehmen. Ich wechselte die Gruppe. Es tat gut, nicht mehr hinterher zu fahren.
Von Irún an der französischen Grenze fuhren wir das letzte Stück der Etappe entlang der Küste bis San Sebastián. Eine wunderschöne Straße mit nicht zu langen Anstiegen und immer wieder tollen Ausblicken aufs Meer. Erster Anstieg auf der Küstenstraße war der Jaizkibel, der regelmäßig bei der Baskenlandrundfahrt der Profis angefahren wird.
In San Sebastián angekommen, gönnten wir uns kurz vor dem Hotel eine Pause auf der Strandpromenade. Eine wunderbare Stadt mit dem Flair vergangener Zeiten und dem Leben der Gegenwart. Hier will ich nochmal hin.
Am Abend ließen wir zu dritt das Essen im Hotel aus. Wir aßen in der Stadt. Zuvor genossen wir den Sonnenuntergang bei einem Spaziergang praktisch über die komplette Bucht. Dann entschieden wir uns für sehr guten Fisch und Meeresfrüchte am alten Hafen. Nicht ganz günstig aber sehr gut! Und sehr spanisch. Die anderen trafen wir im Anschluß in der Altstadt. Auch der Rückweg auf der Promenade war grandios. Eine tolle Stadt.
Tag 7: Von San Sebastián zurück nach Bilbao
Wir verließen San Sebastián bei Sonnenschein auf der Küstenstraße in Richtung Westen. Schroffe Felsen und Steilküste wechselten sich immer wieder ab mit kleinen Orten mit Strand und Hafen in den Buchten. Unzählige Rennradfahrer waren in kleinen und größeren Gruppen unterwegs. Noch nirgendwo habe ich so viele gesehen. Aber es war auch Samstag und die Straße ist wirklich sehr toll.
Auch den Jakobsweg haben wir gekreuzt. Ich habe nur die Schilder gesehen und eine einzige Pilgerin. Die vielen anderen Pilger sind mir entgangen. Ich war abgelenkt, weil ich genau dort einen Speichenbruch hatte.
Ich schaffte es bis zur Mittagspause am Bus. Zum Glück gab es dort noch ein Laufrad für mich, das nur eine kleine Unwucht hatte. So konnte ich auch die letzten Kilometer noch fahren. Und die hatten es in sich. Ich war ziemlich am Ende. Vor allem auch mental. Ich hatte Schwierigkeiten, in der Gruppe mitzufahren. An Führen war nicht zu denken.
Monte Uiz
Ein letztes Highlight gab es noch zu bezwingen: Die Antennen auf dem Monte Uiz mit Rampen um die 20 Prozent. Mittagsverpflegung war direkt vor dem Anstieg. Wir waren dort. Somit war klar, daß der Anstieg gefahren werden mußte. Also los. Nochmal zusammenreißen. Es wurde schnell steil. Es ging. Der Anfang war geschafft. Dann kam ein langes und sehr steiles Stück. Ziemlich lang und ganz gerade. Und steil. Ich konnte die anderen vor mir sehen. Es nahm kein Ende. Fast die ganze Zeit fuhr ich im Stehen. Durchhalten. Anhalten ist keine Option. Danach wird es nicht leichter. Es geht schon. Irgendwann war auch das geschafft. Nach der Kurve konnte man schon die Antennen sehen. Es ging nochmal steil bergauf, dann leicht bergab und mit Schwung auf den eigentlichen Zielhügel. Der sah steiler aus, als er tatsächlich war. Ich wußte, es war geschafft.
Wie auf dem Villeta in der Sierra Nevada im Herbst, habe ich das Rad über die Steine bis zum Gipfel getragen. Leider kam keiner mit. Rundumblick. Das gleiche Gipfelzeichen, wie auf dem Villeta. Tolle Bilder mit Rad und Sonne.
Die Abfahrt war recht unangenehm. Zu steil, um das Rad auch mal rollen zu lassen. Meine letzten Reserven waren aufgebraucht. Aber welche andere Option hätte es gegeben? Die letzten Kilometer nach Bilbao wurden lang und richtig schwer. Ein letzter Stop in einem kleinen Ort an der Bar. Zur Stärkung Kaffee, Sandwich, Kas und Cola. Das mußte reichen.
Geschafft!
Irgendwann war es geschafft. Wir sahen auf Bilbao hinab fast genau wie auf der Einrollrunde. Es ging nur noch bergab. Auf die Hauptverkehrsstraßen, dann zum großen Kreisverkehr, den wir schon kannten und zur Plaza Nueva, wo wir schon waren.
Zwei Damen sitzen neben uns auf der Plaza und sprechen Florian auf unsere Räder an. Sie wollten wissen, wie weit wir gefahren waren. Als sie erfuhren, dass wir 150 km gefahren waren, wollten sie ein Foto mit uns machen. Die eine Freundin in unserer Mitte. Die andere machte das Foto. Sehr lustig.
Dann ging’s zurück zum Hotel. Rad einpacken. Abendessen. Und in die Stadt. Das war’s. Die Baskenlandrundfahrt war vorbei.
Es war wieder eine wunderbare Reise. Wunderbare Strecken in bislang unbekannten Gegenden. Insgesamt waren wir in vier spanischen Provinzen: Das Baskenland, Kantabrien, Kastilia-León und Navarra. Wieder war eine tolle Gruppe zusammen und wieder hatte ich Glück mit meinemZimmerpartner, mit dem es sehr gut gepaßt hat. Ich freue mich schon auf die nächste Reise.